Louis Pasteur



Er sah aus wie ein Kleinbürger. Sein Alltag war ohne Glanz und Vergnügen. Er aß bescheiden und war immer bestrebt, sein kleines Vermögen zusammenzuhalten und nichts unnütz zu verprassen. Er grüßte respektvoll die Leute, die er hoch stehend wähnte. Er ging selten spazieren, und wenn, dann tat er es mit Frau und Kindern. Der Kleinbürger hieß Louis Pasteur, geboren 1822 in Döle/Frankreich, Professor in Dijon, Straßburg, Lilie und Paris.
Dieser hinkende, halbgelähmte Chemiker in seinem Bratenrock von bemerkenswert unelegantem Schnitt hatte sich den Kampf gegen Krankheit und Tod zur Lebensaufgabe gemacht, und er konnte in maßlosen Zorn geraten, wenn Kollegen von den "grotesken Theorien dieses kleinen, bakterientollen Chemikers" sprachen. "Die Mikrobe ist klein und Pasteur ist ihr Prophet", so sagte man etwa. Als man Pasteur dieses Wort hinterbrachte, bekam er einen seiner berüchtigten Zornanfälle.
Was wir Pasteur verdanken, klingt sehr einfach: Fäulnis und Gärung werden von Mikroben erzeugt, die selbst wieder von Mikroben "geboren" werden. Mit dieser Erkenntnis setzte er sich in Gegensatz zu der damals herrschenden Meinung, dass unter bestimmten Bedingungen Lebendes aus Unbelebtem hervorgehen könne. Indem Pasteur in gärendem und faulendem Stoff mikroskopisch kleine Lebewesen als Ursache für das Gären und Faulen erkannte, hat er die Streitfrage um die "Urzeugung" entschieden. Wenn also aus Schmutz Lebewesen hervorgehen, so sind sie keinesfalls  "urgezeugt", sondern stammen von den im Schmutz verborgenen Lebewesen ab. Im Verlauf seiner Experimente entdeckte er dann noch etwas anderes, dass nämlich die Gärungserzeugenden Bakterien nicht hitzebeständig sind und dass man daher Flüssigkeiten durch Erhitzen fast keimfrei machen und vor dem Verderb retten kann. Der Begriff der "pasteurisierten Milch" hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Unsere gesamte Vorratswirtschaft unterliegt dieser Erkenntnis in riesigem Ausmaß. Pasteur aber erhielt ab 1874 für seine Arbeiten eine Staatspension.
Es geschah noch mehr. Pasteur erkannte als erster, dass Eiter und Wundbrand durch Mikroben hervorgerufen werden. Seine Entdeckung bildete die Grundlage für alle weiteren Forschungen in der anti-septischen Wundbehandlung.
Er kam weiter zu der Überzeugung, dass eine lange Reihe von Krankheiten durch Bakterien hervorgerufen wird. Der Gedanke ließ ihn nicht los, dass es ein Verfahren geben müsse, den tierischen und menschlichen Körper vor der unheilvollen Wirkung der Bakterien zu schützen. Wie so oft, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Bei seinen Versuchen über die Hühnerpest war eine Bakterienkultur durch Versehen längere Zeit stehen geblieben. Als dennoch ein Huhn mit den Bakterien geimpft wurde, erwies es sich, dass sie nicht mehr wirksam waren. Das Huhn zeigte nur leichte Krankheitserscheinungen und erholte sich schnell. Als später dasselbe Huhn und eine Reihe weiterer mit frischen Bakterienstämmen geimpft wurden, blieb das erste Tier frisch und munter, während alle anderen an der Krankheit zugrunde gingen. Pasteur begriff sofort, um was es sich handelte; er hatte es mit dem gleichen Phänomen zu tun, das der Jennerschen Schutzimpfung zugrunde lag: eine Immunisierung mit abgeschwächten Krankheitskeimen.
Wie nicht anders zu erwarten, riefen seine Erkenntnisse bei seinen Kollegen nur Spott und Hohn hervor. Sie beschlossen, ihn in eine Falle zu locken. Man stellte ihm 50 Schafe zur Verfügung, von denen zuerst die Hälfte mit abgeschwächten Krankheitskeimen geimpft und damit immun gemacht werden sollte. Danach erhielten alle 50 eine Dosis der todbringenden  Schafpestbazillen.  Zahlreiche Ärzte, Politiker und Journalisten waren zusammengeströmt, um sich voller Schadenfreude an dem Schauspiel zu weiden. Als der Tag gekommen war, an dem es sich zeigen mußte, ob die geimpften Tiere krank oder gesund sein würden, erlagen prompt 22 Schafe der Krankheit und drei weitere waren in einem Zustand, dass nicht mehr an ihrem baldigen Ende zu zweifeln war. 25 Tiere aber sprangen gesund und lebhaft auf der Weide umher. Es waren die vorher mit den geschwächten Keimen geschützten Schafe.
Was ihm aber zu unvergänglichem Ruhm verhalf, war sein Sieg über die Tollwut. Jene schrecklichste aller Krankheiten, die fast immer zu einem qualvollen Tod führt, war bis dahin nicht zu heilen. Ein Mensch, der von einem tollwütigen Tier gebissen wird, vor allem von Füchsen, aber auch allen anderen Wildtieren, ist fast ausnahmslos verloren und geht elend zugrunde. Tierversuche hatten Pasteur gezeigt, dass Schutzimpfungen, wie bei Pocken, nicht in Frage kamen, da der Schutz viel zu kurz andauerte und die Tollwut beim Menschen glücklicherweise relativ selten ist. Also war er bemüht, die Inkubationszeit zu nutzen, das heißt jene Zeit, die von dem Biss eines wutkranken Tieres bis zum Ausbruch der Krankheit verstreicht.
Nach endlosen Versuchen fand er im getrockneten Mark eines tollwütigen Kaninchens den geeigneten Stoff. Er probierte ihn an Hunden aus. Sie erkrankten nicht. Unter dramatischen Umständen impfte er wenig später zum ersten Mal einen Menschen. Auch dieses Experiment gelang, das Kind wurde gerettet.
Er starb 1895 an den Folgen eines zweiten Schlaganfalls, ein Schatten seiner selbst, unfähig, zu gehen, zu denken und zu sprechen. Der Geist des genialen Louis Pasteur war erloschen.
 

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