Mohammed

Drei große Weitreligionen sind im Laufe der Zeit aus der arabischen Wüste herausgetreten: als erste die jüdische, danach die christliche, schließlich der Islam. Einleuchtend erklären konnte dieses Phänomen bisher niemand. Begünstigte die tiefe Verlassenheit des Menschen in der unendlichen Leere der Wüste die Suche nach Gott, genauer: nach dem einen Gott? Waren die semitischen Völker prädestinierte Gottsucher und Religionsstifter?
Natürlich hängen die drei genannten Religionen vielfältig miteinander zusammen. Das Christentum zählt zu seinen heiligen Büchern auch das Alte Testament der Juden, der Islam nennt neben den jüdischen auch Johannes und Christus seine Propheten. Jerusalem ist allen eine heilige Stadt. Zugleich reichten die Unterschiede aus, sich Jahrhunderte lang immer wieder als Todfeinde zu bekämpfen. Gewaltige Heere trugen Glaubensfahnen vor sich her und versuchten, in ihres Gottes Namen die Welt zu erobern.
Das gilt vor allem für den Islam. Schon hundert Jahre nach dem Tode Mohammeds standen die Heere der Kalifen in Frankreich, wo ihnen erst Karl Martell endlich Einhalt gebot. Im Osten eroberten sie alle Länder bis an die Grenzen Indiens. Als Karl der Große in Rom zum Kaiser der Christenheit gekrönt wurde, war das Reich des Islam mehr als zehnmal so groß wie sein Reich. Im 17. Jahrhundert standen die Türken vor Wien. Heute ist der Islam mit mehr als 500 Millionen Anhängern die zweitgrößte Religionsgemeinschaft der Welt.
Mohammed, der diese weltweite Bewegung auslöste, war anfangs nicht mehr als ein Kameltreiber. Um 570 in Mekka geboren, gehörte er wohl dem Stamm der Kuraisch und damit der dort herrschenden Aristokratie an, aber da seine Familie arm war, er früh die Eltern verlor und bei einem gleichfalls armen Onkel aufwuchs, lernte er weder Lesen noch Schreiben und blieb zeit seines Lebens Analphabet. Als er 24 Jahre alt war, heiratete er die reiche, erheblich ältere Witwe Chadidscha, bei der er seit langem in Diensten stand.
Er kann dennoch kein alltäglicher Mann gewesen sein, der in seinen Geschäften aufging und sich auf seine Erfolge als Karawanenführer etwas zugute tat. Es wird vielmehr berichtet, daß er sich in die einsamen Höhlen des Berges Hirsa zurückzog, um tagelang zu meditieren. Offensichtlich fand er im bloßen Anhäufen von Reichtum keine Befriedigung. Er sah nur allzu deutlich das Elend der Armen, die Ungerechtigkeit der Herrschenden, das Ungenügen eines Lebens, in dem nur Geld etwas galt. Dann und wann vernahm er die Lehren der Juden und Christen, die er auf seinen Handelsreisen traf:
Warum besaßen die Araber, die doch wie jene auch von Abraham abstammten, keinen solchen Glauben, der ihrem Leben einen tieferen Sinn gab?
Er war bereits 40 Jahre alt, als ihn die Berufung traf: Der Erzengel Gabriel erschien ihm "in menschlicher Gestalt, mit den Füßen am Rande des Himmels stehend, und sprach: O Mohammed, du bist der Gesandte Allahs!" Mohammed war erleuchtet worden. Von dieser Stunde an predigte er seinen Verwandten und Freunden und suchte Anhänger um sich zu sammeln.
Mohammed hat Allah nicht "erfunden." Seit Jahrhunderten wurde seiner in der Kaaba, die in Mekka stand, gedacht, wenn auch auf sehr verschwommene Weise. Er war etwas dem unentrinnbaren Schicksal Ähnliches, dem man ungern zu nahe kam. Im praktischen Leben hielt sich der Araber an Hilfsgottheiten, die dem Alltag näherstanden, Regen- oder Fruchtbarkeitsgötzen etwa. Hunderte ihrer Art waren im Verlauf der Zeit in der Kaaba aufgestellt worden. Obgleich eigentlich der "Schwarze Stein", ursprünglich ein
Meteorit, den der Sage nach Abraham hierher gebracht hatte, das Ziel der jährlichen Pilgerfahrt aller Beduinen war, brachten sie ihre Opfer doch vornehmlich ihren Götzen dar, um danach den Markt aufzusuchen.
Gerade dies nun, den Götzendienst und den feilschenden Handel, prangerte Mohammed als Allahs und als der Kaaba nicht würdig an. Bald ging er weiter und forderte, daß die Sklaven freigelassen werden sollten, daß die damals übliche Tötung neugeborener Töchter aufhören müsse. Schließlich predigte er Milde gegen die Armen und Unterstützung der Hilfsbedürftigen. Genaugenommen waren das Ideale, die die Araber verachteten.
Natürlich lehnten besonders die Mekkaner Mohammeds Predigt ab. Die Stadt und damit sie selbst lebten doch von alldem, was Mohammed beseitigen wollte. Anfangs spotteten sie über ihn. Litt dieser seltsame Prophet nicht außerdem an der Fallsucht und zeigte sich damit nicht deutlich, daß er ein Verrückter war? Allmählich verwandelte sich der Spott jedoch in offene Feindschaft, zumal die Forderung nach Freilassung der Sklaven Aufruhr stiftete. Am Ende mußte Mohammed fliehen.
Er floh nach Jathrid, eine Oasenstadt nördlich von Mekka, die sich später Medma, die Stadt des Propheten, nannte. Da es dort eine große jüdische Gemeinde gab, kam den Arabern Medinas die Lehre des Mohammed weniger fremd vor, so daß dieser unter ihnen bald neue Anhänger fand. Weil aber von diesem Zeitpunkt an Mohammeds Anhängerschaft zunahm
- vorher in Mekka hatten sich noch keine hundert zu ihm bekannt-, begann der Islam später seine Zeitrechnung mit dem Tage der Flucht nach Medina, der Hedschra am 16. Juli 622.
Auch jetzt hatte Mohammed noch nicht gesiegt. Aber er empfing immer neue göttliche Offenbarungen. Sein Selbstbewußtsein und die Kraft seines Glauben wuchsen. Dabei kam es zu merkwürdiger Vermischungen von religiösen und weltlichen Unternehmungen (die sich dem westlichen Verständnis nahezu entziehen). Das Ausrauben von Karawanen Nichtgläubiger galt als Gott wohlgefällig, der Meuchelmord an mißliebigen Gegnern war gerechtfertigt, wenn der Prophet ihn befohlen hatte.
Eines Tages waren es drei-, dann zehntausend, die Mohammeds Offenbarungen lauschten und mit ihm zu dem einen Gott, zu Allah, beteten. Es waren gleichzeitig Kämpfer, die der Prophet gegen Mekka führen konnte, gegen die heidnische Stadt, in der das entweihte Heiligtum Allahs lag. Im Jahre 630 wagte er es schließlich, nur im Vertrauen auf seine Macht und auf Allah, die Entscheidung waffenlos zu erzwingen: Er zog an der Spitze einer riesigen Prozession in Mekka ein und umschritt siebenmal die Kaaba. Das Heer der Kuraisch hatte sich zurückgezogen. Acht Jahre nach seiner Flucht hatte Mohammed gesiegt.
Es blieben ihm noch zwei Jahre bis zu seinem Tod. Er nutzte sie, den neuen theokratischen Staat aufzubauen, wobei sich religiöse und weltliche Ordnungen unauflöslich miteinander verbanden. Der Koran selbst, das heilige Buch des Islam, darin die Offenbarungen Mohammeds aufgezeichnet sind, wurde erst zwanzig Jahre später vollendet. Seitdem sind seine Gebote und Verbote, die rituellen Vorschriften, die Gesetze, die Gebete und Legenden das Instrumentarium einer Religion, für die gegenüber eigentlich allen anderen Religionen die sehr reale Beziehung auf das tägliche Leben charakteristisch ist. Bis auf den heutigen Tag gilt dies für alle islamischen Staaten, woraus ihre Stärke und ihre Schwäche resultiert. Mohammeds erste Nachfolger wurden aus seinem engsten Freundeskreise erwählt. Sie nannten sich Kalifen. Bereits unter dem zweiten Kalifen, dem strahlenden Omar I., begann der Islam, der Welt "mit Feuer und Schwert" die Botschaft Mohammeds zu bringen: 635 zogen die Heere Omars in Damaskus ein, 640 eroberten sie Ägypten, wo Kairo gegründet wurde, 647 Tripolis, 711 schifften sie sich nach Spanien ein, 732 war Frankreich erreicht. Im Osten gelangten die islamischen Heere gleichzeitig an die indischen Grenzen. Damit begannen in all diesen Ländern zwischen dem Atlantischen Ozean und dem Indischen Meer aus der Vermischung der vorhandenen Kräfte mit den religiösen Impulsen der Eroberer neue Kulturen zu wachsen, die dann Jahrhunderte lang das strahlende Licht der Welt waren.
Denn da der Islam paradoxerweise - führt er doch immer einen "heiligen Krieg" - nur erobern und herrschen will, nicht missionieren, liegt ihm nichts an der Zerstörung. Erfüllt von der tiefen Sehnsucht des Menschen, dessen Traum inmitten seiner Wüste die fruchtbare Oase ist, möchte er aus Wasser und Schatten, den beiden Elementen paradiesischer Zustände, eine schönere Welt aufbauen. So entstehen ganz im Westen in Granada die bäderreiche Alhambra und im volkreichen Cördoba die tausendsäulige Moschee, ganz im Osten im Bagdad Harun al Raschids die weltberühmte Universität und später, nun schon in Indien, die marmornen Grabmäler des Tadsch Mahal in Agra oder des Safdar Jun in Delhi. Das noch halb barbarische Abendland aber gewinnt aus der Begegnung mit diesen Welten die eigene Erneuerung. Aus der vom Islam überlieferten AI-Gebra und AI-Chemie erwächst in Europa die neue Welt der Naturwissenschaften und Technik. Und der Islam heute? Die Zahl seiner Anhänger nimmt zu. Vor allem in den afrikanischen Staaten bekennen sich immer mehr Menschen (Muslime)zum Islam. Symbole des Islam sind Halbmond und Stern und die Farbe Grün.

Die fünf Säulen des Islam:

1. Allah ist der alleinige Gott und Mohamed sein Prophet (Schahadah)
2. Verrichte fünfmal täglich das rituelle Gebet (Salat)
3. Unterstütze die Bedürftigen (Zakat)
4. Faste während des Monats Ramadan (Saum)
5. Pilgere mindestens einmal im Leben nach Mekka (Haddsch)

Glaubensinhalt: Muslime versprechen, dem Willen Allahs zu gehorchen. Allah ist der einzige Gott. Er wird die Menschen am Jüngsten Tag nach ihren Taten richten. Der Islam ist eine Gesetzesreligion: Wein, Schweinefleisch und Glücksspiel sind verboten. Männer dürfen vier Frauen haben.

Mekka: Diese Stadt in Saudi-Arabien ist der wichtigste Wallfahrtsort des Islam. In Mekka steht die Kaaba, ein mit schwarzen Decken verhülltes Bauwerk mit dem heiligen schwarzen Stein, dessen Grundstein der Stammvater der Araber, der biblische Abraham, gelegt haben soll.

Das Gebet: Die Muslime können das rituelle Gebet an jedem Ort verrichten. Sie richten den Blick nach Mekka und vollziehen einen vorgeschriebenen Bewegungsablauf, wobei sie den Boden mit der Stirn berühren.

Der Koran: Der Koran ist das heilige Buch des Islam. Für Muslime ist er die Verkündigung von Gottes Wort, so wie es dem Propheten Mohammed offenbart wurde. Die im Koran enthaltenen religiösen Vorschriften bilden zusammen mit der Sunna Mohammeds, d.h. seinen Taten, die Grundlage des Islamischen Rechts, der Scharia. Koran und Sunna sind somit die Richtschnur des Handelns der Muslime.

Maulu un-Naby: Geburt des Propheten Mohammed
Lailat al-Qudr: Allah offenbart Mohammed den Koran
Laila al-Bar: Nach der Vergebung, Beilegung aller Streitigkeiten vor Ramadan
Id al-Fitr: Fest am Ende des Fastenmonats Ramadan

Ayatollah: Der oberste Anführer der Schiiten
Hafis: Ein Gläubiger, der den gesamten Koran auswendig kann
Haddschi: Ein Moslem, der nach Mekke gepilgert ist
Dschihad: Der Heilige Krieg zur Verteidigung und Ausbreitung des islamischen Glaubens
Moschee: Versammlungsort der Gläubigen
Mulla: Geistlicher und Gelerter

 

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