Immanuel Kant

Kant hat die für die heutige Menschheit entscheidenden Grundfragen aufgeworfen: die Fragen nach dem Recht, dem Sinn und den Grenzen von Wissenschaft; und die Fragen nach dem Recht und der Verwirklichung menschlicher Freiheit im Blick auf eine tätige, unablässige Friedensstiftung. So hat Kurt Rossmann die Bedeutung des großen deutschen Philosophen beschrieben und damit zugleich zum Ausdruck gebracht, in welch hohem Maße Kant den Menschen grundlegende Probleme bewusst gemacht und ihr Denken, ihre Welt verändert hat.
Immanuel Kant ist ein Mann des  18. Jahrhunderts gewesen, das in seiner Heimat Preußen die Zeit des aufgeklärten Absolutismus Friedrichs des Großen war und an dessen Ende die Französische Revolution stand. In Königsberg in Ostpreußen wurde er am 22. April 1724 geboren, einem damals bedeutenden politischen und kulturellen Zentrum mit einer angesehenen Universität; er hat die Stadt kaum einmal verlassen, Ostpreußen gar nicht.
Er entstammte einer Handwerkerfamilie in sehr bescheidenen Verhältnissen; der Vater ist Riemermeister (Sattler) gewesen. Die Mutter war wohl gebildeter; Kant sprach später von ihrem "großen natürlichen Verstande, einem edlen Herzen und einer echten, durchaus nicht schwärmerischen  Religiosität".  Zwei Jahre besuchte er die Vorstädter Hospitalschule; dann, als Achtjähriger, kam er in das Collegium Fridericianum, ein Gymnasium   pietistisch-theologischen Geistes. "Schrecken und Bangigkeit" kamen später über ihn, wenn er sich an diese Anstalt erinnerte.
1740, als Sechzehnjähriger, begann er an der Universität Theologie, Philosophie und Mathematik zu studieren. Philosophie hörte er bei Martin Knutzen, der -so Kant - seine Schüler nicht zu "Nachbetern", sondern zu "Selbstdenkern" erzog - dem Dozenten Kant wurde später dasselbe Lob zuteil. 1746 starb der Vater; Kant beendete das Studium und nahm, um Geld zu verdienen, in den folgenden Jahren  Hauslehrer-Stellen  an.  1755 schrieb er seine Dissertation "Über das Feuer" und wurde zum Magister promoviert.
Noch im selben Jahr habilitierte er sich und war danach Privatdozent an der Königsberger Universität. Er las über eine große Zahl von Themen vor allem naturwissenschaftlichen und philosophischen Inhalts, mit gutem Erfolg. Wiederholt bewarb er sich um eine ordentliche Professur für Philosophie, doch erst 1770, als schon Sechsundvierzigjähriger, wurde er Professor für Logik und Metaphysik. Einen Lehrstuhl für Dichtkunst und Rhetorik in Königsberg und vier vielversprechende Berufungen an andere Universitäten hatte er abgelehnt.
Nach einer ganzen Reihe kleinerer Abhandlungen veröffentlichte er als Siebenundfünfzigjähriger sein philosophisches Hauptwerk: "Kritik der reinen Vernunft". Die danach wichtigsten Werke: "Kritik der praktischen Vernunft" und "Kritik der Urteilskraft", folgten sieben bzw. neun Jahre später. Zweimal war Kant Rektor der Königsberger Universität. Erst 1796, mit über siebzig Jahren, gab er das Lehramt auf. Am 12. Februar 1804 ist er, ohne eigentlich krank gewesen zu sein, als Achtzigjähriger gestorben.
Kant hat sein Leben in seltener Übereinstimmung mit seinen humanistischen Ansichten gelebt. Er reiste nicht, war aber geographisch umfassend gebildet. Er blieb unverheiratet, besaß einen Diener und spät erst auch eine Köchin; doch er war kein Sonderling, sondern ein offener, geselliger Mann, der auf eine gewisse Eleganz Wert legte. Man sah ihn in den besten Kreisen gern; seine eigenen Tischgesellschaften galten vor allem politischen Diskussionen. Ein anderer großer Ostpreuße, Herder, hat "mit größter Dankbarkeit und Hochachtung" von ihm gesprochen: "Er munterte auf und zwang angenehm zum Selbstdenken; Despotismus war seinem Gemüte fremd."
Immanuel Kant ist am stärksten von der Physik Newtons und der Philosophie Leibniz' beeindruckt worden. In seinem eigenen Werk, dem Ausgangspunkt für nahezu alle neuere Philosophie, ist er Vollender, zugleich aber auch Überwinder der Aufklärung.
Er hat die neue Lehre der Transzendental-Philosophie geschaffen. Nicht mehr das Sein (der Erkenntnisgegenstand), sondern das Bewusstsein (die Erkenntnisart) war Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Er wollte die Quellen und Grenzen menschlicher Erkenntnis erforschen. Sie ist, so stellte er fest, an die sinnliche Anschauung gebunden und kann nur von den Gegenständen der Erfahrung gewonnen werden. Dabei beruht die Erfahrung als gesetzmäßiger Zusammenhang "selbst auf apriorischen, allgemeingültigen Voraussetzungen, auf Verstandesgesetzen".
Eine Metaphysik, wie sie frühere Philosophen lehrten, gibt es bei ihm nicht. Allerdings stellt er ein natürliches Streben des menschlichen Erkenntnisvermögens nach  Abschließendem,  Unbedingtem fest; die Antwort auf dieses Streben seien die Ideen. Er führte aus, dass sie nicht Verstandes-, sondern Vernunftsbegriffe sind. Die höchsten theoretischen Ideen sind seiner Ansicht nach: Seele, Welt, Gott; die höchsten praktischen (ethischen): Unsterblichkeit, Freiheit, absolute Persönlichkeit.
Die Vernunftsbegriffe sollen Grundlage unseres Handelns sein. Mit dem "kategorischen Imperativ" schuf er eine Formel für das Sittengesetz: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."
 
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