Alexander Fleming



Man schrieb das Jahr 1929. In seinem Laboratorium hatte der englische Wissenschaftler Professor Dr. Fleming, der sich wie Robert Koch mit der Erforschung von Bakterien befasste, in einer Reihe von flachen Schalen Eiterbakterien zur Untersuchung herangezüchtet. Das Nährsubstrat bestand aus Gelatine. Es wurde aus der Meeresalge Agar gewonnen, und es gab tatsächlich kein besseres. Wichtig war nur, dass man den Bakterien-Boden vor der Verunreinigung durch andere Keime bewahrte. Fleming war in dieser Hinsicht sehr sorgfältig und hatte alle nur denkbaren Einfallstore für das Eindringen von Fremdkörpern verschlossen.
Und doch war es eines Tages den Sporen des Pinselschimmels Penicillium notatum gelungen, sich in einer Schale anzusiedeln, Kolonien zu bilden und vom Rande her die Bakterienkultur mit ihrem Geflecht und ihren Fruchtkörpern zu überziehen. Die so mühsam steril gehaltene Kultur war damit unbrauchbar geworden. Verärgert stellte Fleming sie zunächst beiseite, um sie später zu vernichten. Als es soweit war, kam ihm, er wusste selbst nicht, warum, der Gedanke, den durch den Pilz verunreinigten Nährboden zu untersuchen, um festzustellen, was es mit dem Schimmelpilz auf sich hatte.
Pinselschimmel ist eine Gattung von Schlauchpilzen, die Brot, eingekochte Früchte und Fleischwaren oft mit einer blaugrünen Decke überzieht. Bringt man davon ein wenig unter das Mikroskop, so sieht man ein Fadengeflecht, aus dem sich Zweige erheben, die Pinseln ähneln. Sie teilen sich an ihren Enden wiederholt, und die Pinsel schnüren blaugrüne Fadensporen ab. Da die Sporen leicht verweht werden und es nirgends an Nahrung für den Pilz fehlt, ist er über die ganze Erde verbreitet. Zuweilen erzeugt er auch Schlauchsporen. Zu dieser Gattung gehört Penicillium notatum.
Fleming machte nun folgende aufregende Entdeckung: Wo Penicillium notatum mit den in der Schalevorhandenen Kulturen von Bakterien, Eitererregern übelster Art, zusammengeraten war, hörten diese auf, sich zu vermehren, ja, sie verkümmerten zu Millionen. Fortan stand die "verdorbene" Schale im Mittelpunkt des Flemingschen Laboratoriums. Er entdeckte über dem Studium des bakterienfeindlichen Schimmelpilzes auch noch andere interessante Einzelheiten: Bakterienvernichtend oder Bakterienhemmend war nicht der Pilz selbst, sondern ein Wirkstoff, den der Schimmelpilz absonderte. Er nannte ihn "Penicillin" und veröffentlichte seine Beobachtungen in der Fachpresse. Aber obwohl damit eine grandiose Neuentdeckung für die Behandlung vieler entzündlicher und mit Vereiterungen verbundener Krankheiten gemacht war, las man seinen Bericht, ohne dass Folgerungen daraus gezogen wurden.
Fleming ging zur Tagesordnung über und züchtete seinen Pilzstamm unverdrossen weiter. Er hatte das Ziel, endlich so viel von dem wertvollen Stoffwechselprodukt Penicillin zu erhalten, dass er praktische ärztliche Versuche damit  anstellen konnte. Aber dann stellte sich heraus, dass die in jahrelanger Züchtung gewonnene Menge nicht einmal ausreichte, um einem einzigen Menschen zu helfen. Mitten in der Behandlung des ersten Patienten, eines Oxforder Polizisten, der an einer hoffnungslosen Blutvergiftung erkrankt war, ging der Arzneivorrat aus. Glückstrahlend hatte Fleming bereits feststellen können, dass sein Penicillin schon erste Erfolge bei dem Todgeweihten zu zeigen begann. Die Bakterien vermehrten sich nicht mehr, die Abwehrkräfte des Körpers hatten zu erfolgreichen Gegenangriffen angesetzt. Da aber die Behandlung mit Penicillin nicht weitergeführt werden konnte, weil auch der letzte Rest verbraucht war, vermehrten sich die Bakterien wieder, und der Patient starb.
Dann kam der Krieg, und mit ihm stieg das Interesse an keimtötenden Heilmitteln gewaltig an. Man begann, sich an Flemings Schimmelpilz zu erinnern, züchtete ihn in größerem Maßstab und studierte seine Wirkung auf Bakterien. Es ergab sich, dass Penicillin tatsächlich gegen 89 verschiedene Krankheitserreger wirksam war, darunter gegen Lungenentzündung und den Erreger der Blutvergiftung. Die Kranken waren meist in kürzester Zeit geheilt.
So trat das Penicillin nach seinen ersten langwierigen und mühsamen Schritten einen stürmischen Siegeslauf rund um die Welt an, besonders, nachdem es gelungen war, das bisher umständliche Gewinnungsverfahren zu vereinfachen. Anfangs hatte man angenommen, dass sich der Penicillin-Schimmelpilz nur an der Oberfläche von Nährböden vermehren lasse. Dann aber fand man Stämme, die auch im Innern, in so genannten "Tauchkulturen", gediehen. So konnte der Pilz in Riesentanks von 50000 Liter Inhalt gezüchtet werden. Zuchtanlagen und Aufbereitungseinrichtungen, in denen aus den Nährlösungen das eigentliche Penicillin gewonnen wird, sind heute zu riesigen Fabriken angewachsen.
Inzwischen ist Penicillin eines der bekanntesten Medikamente der Welt geworden. Seine Entdeckung gehört zu den folgenreichsten Ereignissen in der Medizin unseres Jahrhunderts und regte die Auffindung zahlreicher weiterer Antibiotika an.
Alexander Fleming, der Sohn eines schottischen Bauern, der lange als Bote und Büroangestellter hatte arbeiten müssen, bevor ihm Stipendien das Medizinstudium ermöglichten, wurde 1944 in den Adelsstand erhoben und hieß seitdem Sir Alexander Fleming. Ein Jahr später wurde er mit dem Nobelpreis geehrt.

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