Wasser Inbegriff des Lebens.
Alles wissenswerte übers Wasser

Die größte Kostbarkeit im Weltall

DIE BILDUNG DER OZEANE

ERDE UND KLIMA

DAS MAGISCHE MOLEKÜL

DAS KREATIVE MEDIUM

Lebensraum Meer

Lebensraum Bach und Flur

Lebensraum See, Teich und Tümpel

Das Wasser im Menschen

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Die größte Kostbarkeit im Weltall

Über die Entstehung des Kosmos gibt es viele verschiedene Theorien. Die plausibelste ist, dass sich der Kosmos vor etwa 15 bis 20 Milliarden Jahren aus einem dichten Urzustand mit dem Urknall gebildet hat und seither bis heute expandiert. Dabei entstanden auch die leichtesten Elemente, Wasserstoff und Helium.

Jedes Wassermolekül trägt zwei solcher Wasserstoffatome in sich, die den Urknall und die ganze Milliarde Jahre alte Geschichte des Kosmos mitgetragen haben. Wasserstoff ist nicht nur das häufigste Element im Kosmos, es spendet auch die Energie der Sonnenstrahlen.

Als nach einiger Zeit auch der schwerere Sauerstoff entstanden war, kam es irgendwann zu dem prähistorischen Ereignis: Zwei Wasserstoffatome ließen sich von einem Sauerstoffatom einfangen und bildeten ein Molekül Wasser. Damit war die wichtigste Voraussetzung für das spätere Leben auf der Erde gegeben. Allerdings mussten noch einige andere Bedingungen erfüllt sein, damit das Wasser in seiner Vielfalt als Flüssigkeit, Dampf und Eis seine wunderbaren Eigenschaften voll entfalten konnte.

Zunächst wurde der neue Stoff ins Erdinnere gerissen, denn das Wasser, das man sich noch nicht flüssig, sondern eher als Dampf vorstellen muss, wurde von neu- gebildetem Felsgestein eingeschlossen.

Milliarden Jahre waren die Wassermoleküle im Erdball gefangen, dann ließen Spannungen im Erdinneren Vulkane losbrechen. Sie spieen flüssiges Gestein aus und - endlich - Myriaden von Nebeltröpfchen, die als Gas zum Himmel hochstiegen und als Urregen vom Himmel fielen.

Auch auf unseren Nachbarplaneten Mars und Venus hat es früher einmal Wasser gegeben. Auf der Venus, die 28 Prozent näher an der Sonne liegt als die Erde und auf der heute Temperaturen von 472°C herrschen, ist es längst verdampft.

Auf dem Mars dagegen finden wir, bei minus 59°C, eine Kältewüste vor. Vermutlich hat sich vorhandenes Wasser in die Eiskappen seiner Pole und unter das poröse rote Marsgestein in den Boden zurückgezogen.

Die Erde hat demnach als einziger Planet in unserem Sonnensystem genau den richtigen Abstand zur Sonne, bei dem sich Wasser bilden und in flüssigem Zustand halten konnte. Schon ein fünf Prozent geringerer Abstand würde eine venusianische Hitzekatastrophe auslösen, während ein um nur ein einziges Prozent größerer Abstand zur Sonne die Erde in eine marsianische Eiswüste verwandeln würde.

Wasser, für uns Erdenbewohner eine sprichwörtliche Selbstverständlichkeit, ist die größte Kostbarkeit im gesamten Weltall.
 
 
 
 
 
 

DIE BILDUNG DER OZEANE

Das Alter der Erde beträgt etwa fünf Milliarden Jahre. Nachdem sich die Oberfläche allmählich abgekühlt hatte, bildete sich die Uratmosphäre aus Wasserstoff, Wasserdampf, Methan, Ammoniak, Stickstoff und Kohlenmonoxid. Der heiße Wasserdampf stieg in die kälteren oberen Schichten auf, kondensierte zu den ersten Tropfen des Urwassers und fiel als Urregen auf die heiße Erde, wo er sofort wieder verdampfte.

Milliarden Jahre dauerte der Urregen, bis sich allmählich die Erdoberfläche abkühlte und glättete, die zunächst wegen der zahlreichen Vulkane pockennarbig ausgesehen hatte. Die Vulkane verschwanden, die abgekühlten Flächenanteile wuchsen, aus Tümpeln wurden Seen, Flüsse begannen zu strömen, Wasserfälle tosten. Langsam füllten sich die Becken der Ozeane. Die blaue Farbe des Wassers fing an, das Aussehen des Planeten zu bestimmen. Eigentlich ist es unpassend, unseren Planeten Erde zu nennen, da doch drei Viertel seiner Oberfläche von Wasser bedeckt sind.

Heute sind die Meere und Ozeane der Erde alle miteinander zu einem System, dem Weltmeer, verbunden. Es bedeckt 361 740 000 Quadratkilometer oder 70,92 Prozent der gesamten Erdoberfläche. Forscher haben das Gesamtvolumen der Ozeane auf 1,2 Milliarden Kubikkilometer und ihr Gewicht auf 1,3 Trilliarden Tonnen geschätzt. Sie bilden das wichtigste Element der globalen Dampfmaschine, die die Energie der

Sonne in Bewegungen der Luft und des Wassers umformt und sie so auf der ganzen Erde verteilt. Darüber aber mehr im Kapitel 1.3.

Denkt man an Meerwasser, hat man sofort einen salzigen Geschmack auf der Zunge. Die Eigenschaft des Wassers, Salze und Gase aufzulösen, lässt das Meer zu einer idealen Schatztruhe werden. Von außen kann man nicht sehen, was alles in ihr enthalten ist. Nur wer den Schlüssel, die Technologien, besitzt, kommt an die Schätze heran.

Von den 93 der in der Natur vorkommenden Elementen hat man 80 im Meerwasser gefunden. Alle zusammen machen die 3,5 Prozent Salzgehalt aus, die man, nach einem Bad im Meer, auf Haut und Zunge schmeckt. In geschlossenen Becken wie im

Mittelmeer kann er wegen starker Verdunstung und geringer Süßwasserzuflüsse bis zu 3,9 Prozent betragen, im Norden des Roten Meeres sogar 4,1 Prozent. In der Ostsee dagegen fällt der Salzgehalt östlich der dänischen Inseln auf unter ein Prozent. Würde man alle im Meer gelösten Salze ausbreiten, könnte man

alle Kontinente 150 Meter hoch damit bedecken.

Das ,,Schmutziggraue", so die Bedeutung des indogermanischen Wortstammes sal, war eines der ersten Handelsgüter. Die Sonnenenergie genügt, um das Salz aus dem Meerwasser zu gewinnen.

Natrium- und Chlorid-Ionen machen zusammen 85,7 Prozent aller gelösten Salze aus. Daneben kommen Sulfat-, Magnesium-, Calcium- und Kalium-Ionen vor, Spuren von Nitrat- und Ammonium-lonen und zahlreicher anderer Stoffe, die bei der Entstehung des Lebens eine Schlüsselrolle spielen werden. Woher aber stammen die Salze im Meer?

Flüsse haben Felsverwitterungen vom Festland ins Meer gespült und Vulkane am Meeresboden haben Chlor, Schwefel und Brom aus dem Erdinneren freigesetzt.

Die Sonneneinstrahlung bestimmt die Meerestemperatur. Das Oberflächenwasser wird erwärmt, nimmt dabei an Dichte ab und schwimmt auf dem kälteren Tiefenwasser. Winde durchmischen die Wasseroberfläche, aber nur bis zu einer Tiefe von rund 30 bis 75 Metern.

So entsteht die Sprungschicht oder Thermokline des Meeres, die das warme Oberflächenwasser von dem wesentlich größeren Volumen des kalten Tiefenwassers trennt. Während die Temperatur des Oberflächenwassers zwischen 30 Grad Celsius (Rotes Meer) und minus 1,3 Grad Celsius (Antarktis) schwanken kann, beträgt die Wassertemperatur unterhalb von 1000 Meter, unabhängig vom Breitengrad, zwischen ein und fünf Grad Celsius.

Meeresströmungen sorgen dafür, dass auch in die tiefsten Tiefen der Ozeane Sauerstoff gelangt. Nur von wenigen Stellen geht die Durchmischung aus: An den Eiskappen der Pole wird das Meerwasser abgekühlt und seine Dichte steigt. Auch wenn Meerwasser zu Eis gefriert, steigt die Dichte des verbleibenden Wassers an. Das dichtere Wasser sinkt ab und fließt an den Kontinentalhängen nach unten in Richtung Äquator und wird durch sauerstoffreiches Oberflächenwasser ersetzt, das sich nun ebenfalls abkühlt.

Im Atlantik kann man das kalte Wasser, das von der Antarktis nordwärts fließt, bis

zu 30 Grad nördlicher Breite verfolgen. Jede Sekunde fließen so 20 000 Kubikmeter Wasser nach Norden in den Atlantik. Weitere Strömungen entstehen durch Winde und durch die Erddrehung. So drehen Strömungen auf der Nordhemisphäre im Uhrzeigersinn, auf der Südhemisphäre in Gegenrichtung.

Erst seit kurzem weiß man, dass es auf dem Meeresboden die mächtigsten Gebirge der Erde, die tiefsten Abgründe und die größten Ebenen gibt. Die Erdkruste selber ist nicht, wie man früher annahm, ein in sich geschlossener Panzer, sondern setzt sich aus einzelnen Platten zusammen, die nur zum Teil miteinander verwachsen sind: Kontinentale Platten, die die Kontinente und deren Rand, die Schelfmeere tragen, und ozeanische Platten, auf denen die großen Ozeane lagern. Diese Platten verschieben sich, zwar äußerst langsam aber stetig, auf dem Erdmantel. Durch diese Verschiebungsvorgänge, die man auch Plattentektonik nennt, haben sich die Kontinente und Ozeane im Laufe der Erdgeschichte ständig in ihrer Lage, Größe und Gestalt verändert.

Die treibende Kraft dieser Prozesse sind die vulkanischen Aktivitäten an den Plattenrändern. Der Atlantik gilt als relativ ,,passiv". Er liegt auf einer einzigen tektonischen Platte. Das Pazifikbecken dagegen befindet sich auf verschiedenen Platten und weist z. B. an der Berührungsstelle mit der westlichen Küstenkordillere in der Nähe des peruanischen Ortes Nazca mit 16 cm pro Jahr die größte Drift-Geschwindigkeit auf. Wenn sich dabei eine Platte unter eine andere schiebt, entsteht ein langer, schmaler aber außergewöhnlich tiefer Graben wie z.B. der Mindanao-graben (11524 m) oder der Marianengraben (11 022 m).
 
 






Wasser macht's möglich:

ERDE UND KLIMA

Unsere lebensfreundliche mittlere Erdtemperatur von rund 15 Grad C haben wir ebenfalls dem Wasser zu verdanken. Als Wasserdampf in der Atmosphäre ist es das wichtigste natürliche Treibhausgas, das etwa 65 Prozent der Wärmewirkung ausmacht und das uns vor einem Schicksal, wie es den Mars getroffen hat, bewahrt. Wasserdampf und andere natürliche Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas wirken wie die Glasscheiben eines Treibhauses: Sie lassen die kurzwellige Strahlung der Sonne durch die Lufthülle zur Erde strömen, fangen aber die in längeren Wellen schwingenden Wärmestrahlen, die von der erwärmten Erdober-fläche zurückgestrahlt werden, ab. So bleibt die Wärme in der unteren Atmosphäre. Seit Jahrmillionen hat sich dieses System, trotz Warm- und Eiszeiten, mehr oder weniger im Gleichgewicht gehalten. Bis heute.

Menschliche Aktivitäten haben die Konzentration der ursprünglich nur in Spuren vorhandenen Gase wie C0² und Methan in der Atmosphäre drastisch erhöht. Zusätzlich wirken noch neue, industriell erzeugte Stoffe wie die berüchtigten Fluorchlorkohlenwasserstoffe als Treibhausgas. Klimatologen gehen augenblicklich davon aus, dass sich die Temperatur um drei Grad C +1-1,5 Grad C erhöht, wenn weiterhin im gleichem Maße Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben werden. Die Folgen davon bilden die neuen Horrorszenarien der Klimatologen:

Die Polkappen würden abschmelzen, dadurch würde der Meeresspiegel um Zentimeter bis Meter ansteigen, ganze Dichtbesiedelte Landstriche würden überschwemmt, andere zur Dürrewüste. Tatsächlich ist die globale Mitteltemperatur in den letzten hundert Jahren bereits um 0,7 Grad angestiegen und die Temperatur der Meere hat um 0,3 Grad zugenommen. Dadurch verdunstet etwa 15 Prozent mehr Wasser aus den Meeren, die Wasserdampfkonzentration in der Atmosphäre steigt an und vergrößert noch zusätzlich den künstlichen Treibhauseffekt, der durch die Zunahme der Spurengase bereits entsteht.

Völkerwanderungen, Umverteilungskriege, Katastrophen währen die Folge, wenn sich die Temperatur auf der Erde um einige Grade erhöhen würde. Aus dem ursprünglich Lebensermöglichenden Treibhauseffekt ist durch menschliche Aktivitäten eine Lebensbedrohung geworden, deren Ausmaß sich heute, zu Beginn der neunziger Jahre, noch nicht eindeutig abschätzen lässt.

Auch die Ozeane und die Lufthülle der Erde beeinflussen sich ständig. So schickt das Meer ununterbrochen über die Atmosphäre Wasserdampf aufs Land, jährlich sind es 200 Liter pro Quadratmeter, eine 200 mm hohe Wassersäule. Aber nicht nur das lebenserhaltende Wasser wird über die Niederschläge auf der Erde verteilt, mit dem Wasser kommt die Wärme. Denn im Gegensatz zu Luft speichert Wasser sehr viel mehr Wärme. Braucht man nur 1.298 Joule (310 Kalorien), um einen Kubik- Meter trockene Luft um ein Grad Celsius zu erwärmen, so benötigt man mehr als 3000 mal soviel, 4 187 000 Joule (eine Million Kalorien), damit die Temperatur in einem Kubikmeter Wasser um ein Grad steigt. Kühlt sich das Wasser ab, wird diese Wärmemenge wieder frei. Nur Ammoniak hat eine noch höhere Wärmekapazität als Wasser. Wie eine riesige Warmwasserheizung erwärmt das Meer die Erde: Warme Meeresströmungen transportieren Sonnenenergie aus den Tropen in Richtung Polargebiete. Dabei geben sie ununterbrochen Wärme an die Luft ab.

Der Golfstrom allein gibt pro Stunde soviel Energie an die Luft ab, wie durch Verbrennen von circa 200 Milliarden Tonnen Kohle erzeugt würde.

Aber für das Klimageschehen noch bedeutsamer ist eine weitere Besonderheit des Wassermoleküls: seine hohe Verdampfungswärme. Um ein Gramm flüssiges Wasser in gasförmigen Wasserdampf zu verwandeln, sind 2470 Joule (590 Kalorien) erforderlich, das ist sechs mal mehr, als man brauchen würde, um dieselbe Menge Wasser von 0 Grad auf 100 Grad Celsius zu erhitzen. Wenn der Dampf zu Wasser-Tröpfchen kondensiert, wird diese Wärme wieder frei. Deshalb erwärmen zehn Millimeter Regen die Erdoberfläche und die untere Atmosphäre ebenso wie der Sonnenschein eines ganzen Tages. Von der eingestrahlten Sonnenenergie gibt das Meer als Verdampfungswärme 63 Prozent wieder ab.

Eine Schlüsselrolle spielt das Meer auch beim Kreislauf des Kohlendioxids, das für unser zukünftiges Erdenklima so wichtig ist. Hier kommt den Menschen eine dritte ungewöhnliche Eigenschaft des Wassers entgegen: Es dient als Lösungsmittel für Gase und Feststoffe. So nimmt das Meerwasser - vorläufig - rund 50 Prozent des Kohlendioxids auf, das durch natürliche Prozesse und menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangt. An der Meeresoberfläche kommt es zu einem ständigen Austausch von C0² mit der Atmosphäre. Steigt der atmosphärische C0²-Pegel um

10 Prozent, so nimmt die C0²-Konzentration im Meerwasser um ein Prozent zu. Dadurch ist das Meer ein gigantischer Abnehmer für das C0², allerdings sind nur die oberen 75 Meter voll mit Kohlendioxid gesättigt. Darunter verhindert eine temperatur- und salzkonzentrationsbedingte Wasserschichtung, die termokline Sperrschicht, einen Austausch mit den tiefer liegenden Wassermassen. So nimmt also auch die Aufnahmekapazität des Ozeans für C0² langsam ab. Allerdings hat man vor kurzem biologische Prozesse entdeckt, die C0² in tiefere Wasserschichten transportieren. Große Hoffnungen richten sich nun auf das Meer, dass es durch seine Eigenschaft, C0² zu lösen, und durch seine Bewohner verhindern möge, dass die zu erwartende Klimakatastrophe nicht so rasch kommen und nicht so massiv ausfallen möge. Natürlich ist das kein Grund, nicht alles Menschenmögliche zur Verringerung des Treibhauseffektes zu tun.
 
 






DAS MAGISCHE MOLEKÜL

Unter der ständigen Begleitmusik von Blitzen, Donnerschlägen und tosenden Vulkaneruptionen war in den Ozeanen eine fruchtbare Mischung von Molekülen entstanden. Reines Wasser hochgeschleudert aus Vulkanen, zwischen Felsen entsprungenes Quellwasser und Regenwasser vermischten sich und schwemmten organisches Material von der Erdoberfläche in die Meere.

Wieder waren es die besonderen Eigenschaften des Wassers, die so etwas Unwahrscheinliches wie Leben, das milchstraßenweit nur einmal entstanden ist, möglich machten. Wasser verletzt nahezu alle Kriterien, die Physiker und Chemiker aus dem Studium anderer Stoffe als ,,normal" bezeichnen.

Besonders zwei Eigenschaften sind es, die das kleine H²0 Molekül so einmalig machen: Die beiden Wasserstoffatome sind mit dem Sauerstoffatom nicht durch eine gerade Achse verbunden, sondern bilden mit ihm einen flachen Winkel. Dessen Sauerstoffspitze ist negativ die beiden Wasserstoffenden dagegen positiv geladen. Wie ein magnetischer Dipol zieht es ungleiche Ladungen an und stößt gleichartige ab. Die beiden Wasserstoffatome bilden zusammen einen Winkel von 104,5 Grad, den ,,Winkel des Lebens", denn ihm verdankt das Wasser seine Dynamik. Durch ihn wird das Molekül elektrisch ,,rastlos und unbefriedigt." Denn die Plus- und Minus-Ladungen der drei Atome, die immer nur in diesem einen Winkel miteinander verbunden werden können, ergeben niemals eine ausgeglichene Paarung. Natürlich kommt es zu Bindungen - negative Elektronen ziehen positive Kernladungen an -, doch bleibt immer ein Rest, der nicht gebunden wird und daher elektrostatische Kräfte aussendet, die weitere ungebundene Moleküle der Entgegengesetzten Ladung anziehen.

Das Resultat: Wasser nagt den Boden aus, löst dabei fremde Elemente auf und mischt sie miteinander. Es ist das ideale Lösungsmittel. Ohne seine eigene flüssige Struktur aufzugeben, nimmt es andere Moleküle in sich auf. Nur deshalb konnten im Urozean die verschiedenen Moleküle aufeinander treffen, die zur Entstehung der ersten Lebenseinheiten notwendig waren. Auch die Wassermoleküle untereinander hängen wie unzählige, winzige Magnete zusammen. Sie bilden besonders feste Ketten und Gitter und halten die Grenzfläche zwischen Luft- und Wasser so gering wie möglich. So entsteht die Oberflächenspannung des Wassers, die seine äußere Erscheinung formt: Als Wassertropfen, als Wassersäule, als Wasserglocke oder als nach oben gebogene Wasseroberfläche.

Aber ohne eine andere Eigenschaft des Wassers, die bei keinem anderen Element bekannt ist, hätte das entstehende Leben keine Chance gehabt: Sein anomales Dichteverhalten. Gewöhnlich sind Substanzen in festem Zustand dichter als in flüssigem. Wasser aber erreicht sein Dichtemaximum bei plus vier Grad Celsius. Dies kommt daher, dass zwischen fest und flüssig beim Wasser nur wenig Unterschied besteht. Im Eiskristall sind alle Moleküle fixiert, in der Flüssigkeit lösen sich die Gitterverbände nicht völlig, sondern nur teilweise auf, werden deformiert und schieben sich ineinander. Deshalb schwimmt das Eis auf dem Wasser und bedeckt mit einer wärmenden Schicht die darunter liegenden Wassermassen. Ohne diese exotische Eigenschaft des Wassers würden Seen, Flüsse und Meere von unten her zufrieren. Unsere Existenz beweist: Niemals waren die Ozeane völlig gefroren, niemals kochten sie über.

Weil viele Wasserstoffbrücken auch bei steigender Temperatur nicht brechen, bleibt H²0 im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten ungewöhnlich lange flüssig, bei normalem Luftdruck von Null bis 100 Grad.
 
 




DAS KREATIVE MEDIUM

Vor rund vier Milliarden Jahren, nur 500 Millionen Jahre nach Entstehung der Erde, war es dann so weit: Der Urozean gebar die erste Urzelle.

Die Erde besaß damals eine reduzierende Atmosphäre aus Stickstoff, Wasserdampf, Kohlendioxid und geringe Mengen Wasserstoff, Kohlenmonoxid, Schwefel-Wasserstoff, Methan, Ammoniak und Edelgasen. Blitze, energiereiche Strahlung und vulkanische Hitze lieferten die Energie für die Bildung von organischen

Molekülen aus diesen Atmosphärengasen. Auch Aminosäuren können so entstehen, die Vorstufen von Proteinen, aus denen alle Lebewesen aufgebaut sind.

In den flachen Schelfmeeren oder an den Rändern von unterseeischen vulkanischen Quellen tauchten die ersten primitiven Vorstufen von Zellen auf. Genaues weiß man noch nicht, aber einzelne mögliche Entwicklungsschritte auf dem Weg zur lebenden Zelle konnte man bereits im Labor simulieren.

Diese neu gebildeten organischen Moleküle wurden mit den Ionen der Elemente, die aus der Erdkruste stammten, zusammengeworfen in Strömungen, aufeinander -geschlagen in der Brandung und durcheinander gerührt in Wasserwirbeln. Angelagert an Tonmineralien und durch Ausfrieren oder Austrocknen in flachen Tümpeln konzentrierten sich die Moleküle weiter, bildeten Komplexe, von denen manche bereits als Katalysatoren wirkten und andere chemische Reaktionen förderten. In einer geeigneten Apparatur lassen sich heute im Labor mit den damals vorhandenen Ausgangsmaterialien kleine Kügelchen, Mikrospheres genannt, erzeugen. Sie besitzen bereits eine im Elektronenmikroskop sichtbare durchsichtige Hülle, können wachsen, indem sie sich weitere organische Moleküle einverleiben und bilden in einem bestimmten Stadium kleine Knospen, die sich später abtrennen und zu selbständigen Kügelchen heranwachsen. Wie aber die wichtigste Erfindung des neuen Lebens, die identische Verdoppelung durch den genetischen Code, entstanden ist, darüber gibt es bisher nur vage Vermutungen.

Von Anfang an musste das Leben mit dem Wasser sorgsam umgehen. Schon die Urzelle benötigte eine schützende Membran, die die komplexen Moleküle im Inneren davor schützten, verwässert zu werden. Aber auch im Zellinneren war das wässrige Medium lebenswichtig, denn nur in Wasser gelöst können die Moleküle in der notwendigen Weise miteinander reagieren.

Die ersten Erdbewohner fristeten ihr Dasein, indem sie von der Ursuppe zehrten: Aus Eisen, Kupfer und Schwefel gewannen sie die nötige Energie für ihre biochemischen Reaktionen. Noch heute gibt es zum Beispiel in Schwefelquellen so genannte anaerobe Bakterien, die keinen Sauerstoff verbrauchen und sich auf diese primitive Weise ernähren.

Diesen Urlebewesen wäre aber schon bald die Nahrung ausgegangen, wenn nicht eine weitere Erfindung das junge Leben gerettet hätte. Das Chlorophyll-Molekül entstand und damit eine Methode, das Sonnenlicht als Energiequelle zu nutzen. Nun ereignete sich die erste Bevölkerungsexplosion der Erdgeschichte. Unmassen winziger Blaualgen, nicht mehr abhängig von ihrer kargen mineralischen Futterquelle, vermehrten sich in den obersten Schichten der Ozeane, wo sie nun durch die Strömungen um die ganze Welt verbreitet wurden.

Auch bei der Fotosynthese, der Energiegewinnung aus Sonnenlicht, spielt das Wasser eine entscheidende Rolle. Unter normalen Bedingungen ist das Wasser-Molekül praktisch unzerstörbar.

Weder durch Gefrieren noch durch Verdampfen lässt es sich in seine Bestandteile zerlegen. Aber die geniale Schöpfung des grünen Chlorophyll-Moleküls schafft, was sonst nur noch der tödlichen Kraft von UV-Strahlen oder gewaltigen Blitzen gelingt:

Es entreißt dem H²0-Molekül die beiden Wasserstoffatome und überträgt sie auf Kohlendioxidmoleküle, wobei ein Molekül Zucker entsteht. Das Sauerstoffatom des Wassermoleküls dagegen wird ,,weggeworfen" und gelangt als freier Sauerstoff in die Atmosphäre.

Immer mehr Sauerstoff sammelte sich in der Atmosphäre an, für die damals vorhandenen Lebewesen, die an eine reduzierende Umgebung angepasst waren, die erste große Umweltkatastrophe. Aber offenbar gelang ihnen die Umstellung auf eine oxidierende Sauerstoffatmosphäre, eine wesentliche Voraussetzung für die Fülle vielzelliger Lebewesen, die später die Erde bevölkern sollten.

Ein dritter wichtiger Entwicklungsschritt fehlte noch, bis sich das Leben endlich in seiner ganzen Vielfalt zeigen konnte. Weil von den frühen Mikrofossilien nur die äußere Form, aber nicht der Inhalt erhalten blieb, wissen wir nicht, wann die ersten Zellen mit einem von einer Doppelmembran umhüllten Zellkern und leistungsfähigen Organellen auftraten. Seltsam ist jedenfalls, dass es nach Auftreten der ersten Organismen noch zweieinhalb Milliarden Jahre dauerte, bis endlich mehrzellige Lebewesen erschienen. Immerhin ist heute bekannt, wie die Eukaryonten zu ihren Organellen kamen. Sie verleibten sich spezialisierte Bakterien in ihre Zellen ein. Diese wurden zu Mitochondrien, die für die Energiegewinnung zuständig sind und zu Chloroplasten, in denen die Photosynthese abläuft.

Die ersten Vielzeller tauchten vor 1,5 Milliarden Jahren auf, aber erst vor 800 Millionen Jahren wurde eine nennenswerte Formenfülle erreicht. Denn zunächst musste die Evolution noch eine weitere Erfindung hervorbringen: Die geschlechtliche Vermehrung. Dadurch wurde nun das Erbgut immer neu gemischt, eine Art Motor für die Gestaltungskraft der Evolution war so entstanden.

Von Anfang an nutzten die neuen Lebewesen die vielfältigen Eigenschaften des Wassers. Wegen des starken Auftriebs im Wasser, eine Folge seiner hohen Dichte, brauchten die Meeresbewohner zunächst kein Stützkorsett. Das Wasser trug sie ja.

Die einfachsten vielzelligen Tiere sind die Schwämme. Mit ihren Geißeln strudeln sie Wasser durch ihren röhrenförmigen Körper und filtern Mikroorganismen und organische Teilchen heraus. Schwämme vermehren sich sowohl geschlechtlich als ach ungeschlechtlich und haben noch ein fast vollständiges Regenerations-Vermögen: Aus einem winzigen Stück mit wenigen Zellen wächst bald ein neuer Schwamm heran. Seither haben sich die Schwämme kaum noch verändert. Ihre weite Verbreitung über alle Meere in allen Tiefen beweist den Erfolg dieses Lebensentwurfs. Doch zu höher organisierten Tieren führte erst der enge Zusammenschluss der Zellen, eine Spezialisierung zu gemeinsamen Organen und Geweben.

Damals, vor etwa 700 Millionen Jahren, bewohnten außer Schwämmen weichhäutige Nesseltierchen, Quallen, Weichkorallen mit federförmigen Körpern und segmentierte Würmer die Meere.

Nur im Wasser konnten kugelige Geschöpfe wie die Kugelalge Volvox entstehen. Denn nur, wenn in allen Richtungen gleiche Bedingungen herrschen, ist eine Kugeln-Form sinnvoll. Ein Oben und Unten, Vorn und Hinten ist nicht notwendig, wenn der

Organismus nur passiv im Wasser treibt.

Über die nächste Erfindung der Evolution freuen sich die Paläontologen besonders: Eine harte Schale umschließt nun den weichen Zellkörper. Hartteile bleiben viel besser erhalten als Weichgewebe, die Botschaften der früheren Lebewesen werden deutlicher. Schwämme, Mollusken und zweischalige Strudler schützten sich mit Kalziumphosphatpanzern vor Fressfeinden. Auch kleine Krebse, Seeigel und längst ausgestorbene Trilobiten, die wie große Asseln aussahen, bewohnten die Meere. Noch konnte das Land nicht besiedelt werden, denn die tödlichen UV-Strahlen der Sonne hätten alles Leben zerstört. Erst nachdem die Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre ca. 1 Prozent erreicht hatte, konnte sich ein Ozongürtel bilden, der die UV-Strahlung milderte. Die frühesten Fossilfunde von Landpflanzen sind 400 Millionen Jahre alt.
 
 





Lebensraum Meer

Weit draußen im Ozean, nur wenig unter der Wasseroberfläche, in einer Tiefe, die noch von Sonnenstrahlen erreicht wird, steigt und fällt die älteste und größte Artengemeinschaft der Welt im Rhythmus von Tag und Nacht, gleitet dahin mit den Strömungen des Wassers. Das Plankton, benannt nach dem griechischen Wort:

,,das, was bestimmt ist zu wandern und zu treiben." Normalerweise unsichtbar, allenfalls am Farbton des Wassers zu erkennen, bevölkert es zu Myriaden das Lichtdurchflutete oberste Stockwerk des Meeres. Ununterbrochen teilen sich die Zellen, genährt durch das Licht der Sonne, und liefern so die Biomasse, von der praktisch alle Tiere des Meeres leben. Zahlenmäßig am häufigsten sind die Kieselalgen mit ihren durchsichtigen Panzern aus Kieselsäure, jede für sich ein kleines Kunstwerk. Über Poren und Schlitze in den Panzern gelangen die Nährstoffe in das Zellinnere.

Mit den ersten winzigen Pflanzen des Planktons begann vor Jahrmillionen ein Prozess, dem wir heute unsere Hauptenergiequellen, Erdöl und Erdgas, verdanken. Das Plankton sank auf den Meeresgrund herab, wo es, mangels Sauerstoff, nicht von Mikroorganismen abgebaut werden konnte. So sammelte sich organisches Material in Sedimenten an. In den flachen Schelfmeeren nahe der Kontinente lagerten sich im Verlauf von Jahrmillionen Schlämme, Sände und Kalke kilometerdick über die organischen Substanzen. Es entstand der hohe Druck, der aus den organischen Resten die langen Ketten der Kohlenwasserstoffe von Erdöl und Erdgas entstehen ließ. Öl und Gas drängten nun langsam nach oben.

Von den pflanzlichen Einzellern lebt das Zooplankton. Die millimetergroßen Ruder-fußkrebse sind seine wohl wichtigsten Mitglieder. Nimmt man das Körpergewicht der Tiere als Maß, dann ist der drei Millimeter lange Calanus das häufigste Tier der Erde. Die Ruderfußkrebse bilden das zweite Glied in der Nahrungskette der Meere. Die Larven fast aller Meerestiere tauchen vorübergehend als Gäste im Zooplankton auf, auch solche, die später gute Schwimmer werden, sind den Strömungen als lebendes Treibgut überlassen.

Die einzelligen Primärproduzenten sind von größeren Tieren kaum zu erfassen. Offenbar sind die Algen so dünn gesät, dass die Energie, die nötig wäre, um sie sich einzuverleiben, von einem aktiven Schwimmer nicht wieder hereingeholt werden kann. (Eine Ausnahme machen Meeresriesen wie die Wale, die dafür aber ungeheuere Wassermassen durchfiltern müssen). Von Stufe zu Stufe wird die Nahrung zu größeren Happen konzentriert. Ein Zehntel Millimeter große Planktontiere werden von millimetergroßen gefressen und diese von zentimeter-großen. Für einen kleinen Fisch ist das bereits ein lohnender Happen, ein größerer Fisch frisst den kleineren, ein Prinzip, das auch an Land beibehalten wurde.

Bei jeder Stufe des Fressens und Gefressenwerdens gehen rund 90 Prozent der Energie verloren. Aus 1000 Kilogramm Algen werden 100 Kilogramm Ruder-fussrebse, von denen sich 10 Kilogramm Sardellen ernähren können, die einen Thunfisch 100 Gramm zunehmen lassen.

Für die Meeresriesen, Wale, oder die bis zu sechs Meter langen Teufelsrochen kostet es dagegen weniger Energie, mit weit aufgesperrtem Maul durchs Wasser zu schwimmen und Planktonorganismen aus dem Wasser zu filtern, als einzelnen Raubfischen hinterher zujagen. Denn je weiter ,,unten" in der Nahrungskette ein Tier frisst, umso mehr Nahrung ist vorhanden.

Nirgendwo auf der Welt wird so brutal gefressen wie im Meer. Durch eine große Anzahl von Eiern sind die Fische auf die ungeheueren Verluste vorbereitet. Der Hering, dessen Eier sich in Klumpen am Meeresboden entwickeln, legt 50 000 Eier, der Schellfisch eine halbe Million, eine pazifische Auster 50 Millionen Eier. Würden aus jedem der fünf Millionen Eier eines einzigen Kabeljaus ein Fisch heranwachsen, so wäre bereits nach sechs Jahren der ganze Atlantik damit gefüllt. Jeder Kabeljau, den wir verspeisen, stellt also einen der wenigen Sieger dar, dessen Überlebens-Chancen anfangs geringer waren als ein hoher Lottogewinn.
 
 





Lebensraum Bach und Flur

Der Geburtsort jedes Baches ist die Quelle. Hier tritt Grundwasser, das sich in unterirdischen Wasseradern gesammelt hat, an die Oberfläche. Mit großer Geschwindigkeit in Sturz- oder Sprudelquellen, eher gemächlich als Sicker- oder Sumpfquelle, oder für unser Auge fast unsichtbar in Quellmooren, verlässt es den Quellmund. Gesunde Quellen haben eine Eigenschaft, die für die Menschen immer wichtiger wird: ihre Wassertemperatur ist nahezu konstant. In ihnen leben kleine Strudelwürmer, die genau an ihre Quelltemperatur angepasst sind und keine Temperaturschwankungen ertragen. Sie fungieren heute als wichtige Bioindikatoren bei der Beurteilung von sauberen Trinkwasserquellen.

Wegen der steilen Hanganschnitte entspringen besonders viele Bäche im Gebirge. Über Moosbewachsene Felsen rieselt das Bächlein, bis es stark genug geworden ist und sein Bett gefunden hat. Die Strömungsgeschwindigkeit von Bergbächen liegt hoch, meist mehr als ein Meter pro Sekunde. Das kalte Wasser nimmt viel Sauerstoff auf. Die Wassertemperatur bleibt das ganze Jahr über so niedrig, denn unter Bergbachbedingungen hat das Wasser gar keine Zeit, sich aufzuwärmen. Das ist auch der Grund, warum Bergbachwasser besser schmeckt als jedes andere: Nur wenige Mikroorganismen, deren Zersetzungsprodukte faulig schmecken könnten, halten diese Lebensbedingungen aus.

Jedes Lebewesen, das sich in rasch fließendem Wasser halten will, muss verhindern, dass es weggeschwemmt wird. Die Larven der Kriebelmücke halten sich mit einem dichten Kranz von Widerhaken an ihrem Hinterende an Steinen im Wasser

fest und lassen ihren wurmähnlichen Körper im Wasser treiben. Weiter talabwärts, wo der Bach schon weniger wild ist, bauen die Larven der Köcherfliege aus Pflanzenteilen und Sandkörnern ihre Köcher; in denen sie leben wie Schnecken in einem Schneckenhaus. Gemächlich bewegen sie sich am Grund entlang und fressen Blätter und Algen. Wo es nur wenig pflanzliche Nahrung gibt, fangen sie ihre Beute mit verschiedenen Modellen röhrenförmiger Netze.

Nicht nur Bergbäche, alle schmalen Jungbäche werden von ihrer Umgebung ernährt. An ihren Ufern stehen Bäume und Büsche, von denen Blüten, Blätter und Früchte, sowie kleines pflanzliches Zerreibsel, der Detritus, ins Wasser fallen. Der Bach wird nun schon breiter; und es fällt nicht mehr soviel Schatten von der Ufervegetation auf seinen Wasserspiegel. Jetzt können sich auch Algen und Moose auf den Steinen festsetzen, da sie hier genügend Sonnenlicht zur Energiegewinnung bekommen. Der Bach beginnt, sich selbst zu ernähren, Fachleute sagen dazu, das Wasser ,,altert". Nun machen sich auch Wasserpflanzen breit. Zum Beispiel Wasserhahnenfuß mit seinen für untergetaucht lebende Pflanzen typischen zerschlissenen Unterwasser-Blättern, über Wasser dagegen trägt er die normale Hahnenfußtracht.

Naturnahe Bäche kann man nach ihrer Leitfischart charakterisieren. Auf die Schnellfließende sauerstoffreiche Forellenregion folgt die Äschenregion, die schon geruhsame Unterstandsmöglichkeiten in Ufernähe bietet. Wird der Bach allmählich so tief, dass man nicht mehr durchwaten kann, kommt die Barbe dazu. Hier fand man früher auch die Muschelbänke der Flussperlmuschel, die heute nicht mal mehr als Bioindikator zu verwenden ist, denn sie ist fast überall ausgestorben. Nur in einigen wenigen Bächen Niederbayerns und Frankens hat sie überlebt. Der breitere, langsamer fließende und wärmere Fluss wird nun zur Brachsenregion. Als letzte folgt, schon kurz vor der Mündung ins Meer, die Kaulbarsch/Flunder-Region.

Das ständige Fließen in eine Richtung ist ein Stress für alle Tiere und Pflanzen. Ein gewisser Teil von ihnen wird immer wieder mitgerissen und flussabwärts transportiert und kann bei engen Durchlässen und Verbauungen nicht wieder flussaufwärts wandern. Solche Sperren und Barrieren sind häufig lebensfeindlich.

Wurzeln der Erlen, Weiden und auch der Pappeln binden viel überschüssiges Wasser und sind daran gewöhnt, immer wieder eine zeitlang unter Wasser zu stehen. Nach jedem Hochwasser verändern sich seine Lebensräume, und seine Bewohner sind gute Kolonisatoren. Wo sich heute ein feuchter, schattiger Platz befindet, kann schon nach dem nächsten Hochwasser eine trockenheiße Sandbank liegen, auf der sich Sandlaufkäfer und Wildbienen tummeln. Alles ist voller Dynamik im Auenwald, dem Dschungel Mitteleuropas, dem Biotop mit der größten Artenvielfalt, von dem allerdings nur noch äußerst wenige, ungestörte Reste erhalten sind. Ein gesunder Fluss hat auch eine Fähigkeit, auf die man erst aufmerksam wird, wenn sie langsam verschwindet: Seine Selbstreinigungskraft. Sie besteht aus einem empfindlichen Zusammenspiel von Bakterien, Pilzen und Kleinstlebewesen, die Abfallstoffe soweit zersetzen, dass sie anderen Organismen wieder als Nahrung dienen können. Dazu ist eine möglichst große Oberfläche nötig und Sauerstoff, der aus der Luft aufgenommen werden muss. Das ist in flachen Gewässern mit Kies-und Sandbänken und Wirbeln viel leichter möglich als im tiefen, kanalisierten Fluss. Je variabler die Strömung, umso mehr Sauerstoff gelangt ins Wasser.
 
 





Lebensraum See, Teich und Tümpel:

Seen bedecken ein Prozent der Oberfläche der Kontinente. Hauptsächlich zwei voneinander unterschiedliche Lebensräume haben sich hier ausgebildet: die flacheren, bis zum Boden bewachsenen Uferzonen und die tiefen Freiwasserzonen. Passiv schwebendes Plankton und aktiv bewegliches Nekton beleben die weiten Tiefen der Seen. Manche Arten führen regelmäßige Tag-Nacht-Wanderungen durch. Abends steigen sie an die Oberfläche, um dort das Wasser nach den mikroskopisch kleinen, schwebenden Algen durchzufiltern, von denen diese Kleinkrebschen leben. Gegen Morgen lassen sie sich wieder in die Tiefe sinken, wo sie glasklar und durchsichtig, nur noch schwer von Kleinfischen gesehen und gefressen werden können.

In der Uferregion bestimmen Algen, Kleinkrebse und vor allem Insekten das Bild. Geschützt durch eine Wasser abstoßende Chitinhülle, haben sie sich im Süßwasser einen neuen Lebensraum erobert. Allerdings musste das Atemproblem neu gelöst werden. Schwimmkäfer nehmen dazu Luftblasen, unter den Flügeldecken oder an den Furchen der Bauchseite angeheftet, mit nach unten. Aber der Luftvorrat bedeutet auch einen größeren Auftrieb. Deshalb würde zum Beispiel der Gelbrandkäfer wie ein Korken hoch geschleudert, wenn er aufhören würde, mit seinen Beinen zu rudern oder sich an Wasserpflanzen festzuhalten. Die Beute muss schon ergiebig sein, wenn sich dieser Energieaufwand lohnen soll. Kleine Wasserinsekten kommen mit der Luftblase lange aus, denn aus dem im Wasser gelösten Sauerstoff diffundiert immer wieder etwas in die Luftblase, die so wie eine physikalische Kieme wirkt. Stabwanzen und Wasserskorpione atmen durch Schnorchel. Der metallisch glänzende Schilfkäfer beraubt sogar Pflanzen um ihren Sauerstoffvorrat. Er nagt unter Wasser die Luftführenden Gewebe von Wasserpflanzen an und veratmet die austretenden Luftblasen. Manche Insekten wie die Köcherfliege kommen nur noch zur Fortpflanzung an Land. Die Weibchen der Schmetterlingsart Acentrianivosa tun nicht einmal mehr dies. Ihre Flügel sind zu Ruderplättchen umgestaltet, damit ,,fliegen" sie unter Wasser. Zur Begattung strecken sie nur noch die Spitze ihres Hinterleibs aus dem Wasser. Die darüber umhersuchenden Männchen werden durch die abgegebenen Sexuallockstoffe angelockt und befruchten die Weibchen. Diese legen dann an Wasserpflanzen ihre Eier ab.

Insekten nutzten bald eine weitere ungewöhnliche Eigenschaft des Wassers: Die Leichtgewichte machten das Wasser zum festen Land. Das dünne Häutchen auf der Wasseroberfläche, das durch die Oberflächenspannung der Wassermoleküle entsteht, reicht ihnen aus, um darauf zu laufen. Taucht man einen Gegenstand in das Wasser so muss Arbeit gegen die Kräfte der Oberflächenspannung geleistet werden. Es scheint, als besäße die Flüssigkeit an der Oberfläche eine Haut. Für die leichten Wasserläufer stellt das tragfähige Oberflächenhäutchen des Wassers einen ergiebigen Weidegrund dar. Sie verzehren die zahlreichen Wasserinsekten und Mikroorganismen, die sich zum Atmen von unten an die Wasseroberfläche anhängen.

Den Fischen im Süßwasser brachte das Atemproblem sogar ein neues Organ ein. Um im wärmeren sauerstoffärmeren Süßwasser besser atmen zu können, legten sie sich in einer Ausstülpung des Vorderdarms einen Luftvorrat zu. Diese Erfindung bekam bald eine neue Funktion, denn, je nach Größe, veränderte die Luftblase das spezifische Gewicht und hielt die Fische in einer bestimmten Wassertiefe. Da Fische schwerer sind als Wasser, müssten sie sich - ohne Schwimmblase - ständig bewegen, wie es die Haie heute noch tun, um nicht abzusinken. Nun wird zum Absinken das Volumen der Schwimmblase verringert, zum Aufsteigen vergrößert. Als einige der Knochenfische in die Meere zurück schwammen, breitete sich die neue Errungenschaft auch dort aus. Zur Deckung ihres Sauerstoffbedarfs sind die Fische aber immer noch auf das Wasser angewiesen und können deshalb die sauerstoffarmen Tiefenzonen nicht besiedeln.

Die Fische der Uferregion erkennt man an ihrem hohen Rücken und ihren abgeflachten Seiten. Mit diesem ovalen Körperquerschnitt können sie sich besser durch das Pflanzengewirr schlängeln und schnelle Wendungen ausführen. Dafür sind sie nicht so ausdauernd wie die runderen Wanderfische der Freiwasserzone.

Kleine Weiher und Teiche gehören zu den artenreichsten Biotopen überhaupt. Schon leichte Wellen wirbeln Bodenschlamm auf und bringen Nährstoffe an die Oberfläche. Wegen der geringen Tiefe wärmt sich das Wasser schnell auf, und Licht dringt bis zum Boden, auf dem Pflanzen wachsen können. Die Teichbewohner sind gute Kolonisatoren, die sich auf jede Veränderung schnell einstellen können. Sogar ein Austrocknen des Gewässers im Sommer oder im Winter können sie überstehen. Muscheln, Schnecken, Insektenlarven, sogar Frösche und Kröten bilden Dauerstadien und vergraben sich tief im Schlamm. Im Extremfall fallen sie in Kälte- oder Hitzestarre, einen scheinbar leblosen Zustand. Dazu müssen sie sich aber von dem Element trennen, das das Leben ausmacht: Sie scheiden ihr Wasser ab.
 
 






Das Wasser im Menschen:

Der Mensch wird buchstäblich aus dem Wasser geboren. In den neun Monaten vor der Geburt schwimmt er in der dunklen Wärme des mütterlichen Fruchtwassers. Man könnte den gesamten Lebenslauf von der Geburt bis zum Tod als Wasserstrom bezeichnen, der vom Fleisch zusammengehalten wird. Das Wasser, das an die Oberfläche des Körpers strömt und verdunstet oder als Wasserdampf ausgeatmet wird, muss ständig erneuert werden.

Ohne feste Nahrung kann man ein paar Wochen auskommen, ohne Wasser höchstens ein paar Tage. Mindestens 2,5 Liter Wasser braucht unser Körper täglich. Normalerweise nehmen wir etwa einen Liter Wasser täglich mit der festen Nahrung auf, einen weiteren Liter durch Getränke. Ein halber Liter Wasser entsteht beim Abbau der Nahrung in unserem Körper. Dabei werden die aufgenommenen Kohlehydrate, Fette und Eiweiße mit Sauerstoff verbrannt und es entstehen Wärmeenergie, Kohlendioxid und Wasser. Zwei Eigenschaften des Wassers sind hier besonders gefordert. Alle biologischen Reaktionen brauchen das Wasser als Lösungsmittel. Es ist Kontaktraum für die Umwandlung der Stoffe und Transport-mittel, denn als Blut oder Lymphe trägt das Wasser Nährstoffe zu den Zellen und führt andere Stoffe wieder ab.

In jungen Jahren besteht unser Körper zu 70 % aus Wasser, in der Lebensmitte zu 60 %, im Greisenalter zu rund 50 %. Auch die einzelnen Körperteile sind ganz unterschiedlich wasserhaltig. Was wir sehen, sehen wir durch Wasser, denn der Glaskörper in unseren Augen besteht zu 99 % aus Wasser. Die Zähne dagegen enthalten mit nur 2 % am wenigsten davon. In 24 Stunden werden unser Gehirn von 1400 Litern und unsere Nieren von 2000 Litern Wasser durchströmt, um Stoffwechselprodukte zu- und abzuführen. Vorbildlich geht der Körper mit dem kostbaren Lebensmittel um: Die ,,Abwässer" werden gefiltert und über 99 Prozent des Wassers zurückgewonnen. Mit nur 1,5 Litern Urin werden die Rückstände ausgeschieden. Der restliche Liter Wasser verlässt den Körper als Schweiß (0,5 l), über die Lungen (0,4 l) und mit dem Stuhl (0,1 l). Auch die ungewöhnlich hohe Wärmekapazität des Wassers nutzt der Körper zur Temperaturregelung aus. Er funktioniert mit Wasserkühlung: beim Schwitzen entzieht das Wasser dem Körper die Wärme, die es zum Verdunsten braucht. Deshalb haben wir auch bei Anstrengungen, die den Körper durch Muskelarbeit erhitzen, großen Durst und brauchen wesentlich mehr Wasser als die üblichen 2,5 Liter.
 

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